Sichere Verhütung ohne Pille, Spritze und Co. – geht das überhaupt?

Sichere Verhütung ohne Pille, Spritze und Co. – geht das überhaupt?

Für die meisten Menschen, die sexuell aktiv sind, stellt sich früher oder später einmal die Frage nach der richtigen Verhütungsmethode. In meiner Praxis betreue ich Patienten unterschiedlichen Alters und in sehr verschiedenen Lebensphasen. Eines ist aber fast allen gemeinsam, wenn es um das Thema Verhütung geht: Bei den meisten Personen liegt der Fokus vor allem auf einer möglichst hohen Sicherheit der verwendeten Methode und einer einfachen und praktischen Anwendung, sowie auf einer möglichst guten Verträglichkeit und dem Ausbleiben von Nebenwirkungen.

Viele Frauen nehmen die Anti-Baby-Pille, da ihnen andere Verhütungsmethoden unsicher vorkommen oder sie durch die Vielzahl der angebotenen Methoden abgeschreckt sind. Über die teilweise gravierenden Folgen, die die Einnahme der Pille haben kann, können Sie sich in meinem Blogartikel „Die Pille – eine tickende Zeitbombe?“ genauer informieren. Durch die Pille leiden viele Frauen unter starken Nebenwirkungen oder sie setzen sie im Laufe ihres Lebens ab, weil sie ihrem Körper keine künstlichen Hormone mehr zuführen möchten. Für Andere kommt eine hormonelle Verhütung aufgrund persönlicher oder medizinischer Begebenheiten ohnehin nicht in Frage.  Aber auch bei der Spirale oder der Kupferkette kommt es bei einigen Frauen zu unangenehmen Nebenwirkungen. Aus all diesen Gründen wird die Nachfrage nach Methoden der natürlichen Verhütung ohne Hormone oder anderweitige Eingriffe in den weiblichen Körper in den letzten Jahren immer größer. Und ja:

Auch ohne Pille lässt sich wirksam und sicher verhüten!

Natürliche Familienplanung

Als natürliche Familienplanung werden vor allem Verhütungsmethoden bezeichnet, bei denen körperliche Veränderungen im Laufe des Zyklus beobachtet werden, anhand derer Rückschluss auf die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage im aktuellen Zyklus gezogen werden kann. Die fruchtbaren Tage im Zyklus sind auf wenige Tage begrenzt, da die Eizelle selbst nur maximal für einen Tag befruchtbar ist. Spermien können im weiblichen Körper allerdings etwa bis zu fünf Tage überleben, weshalb sich die fruchtbaren Tage um mindestens diese Zahl erhöhen. Bei der natürlichen Verhütung wird nicht von außen in den weiblichen Zyklus eingegriffen, es werden lediglich die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage im natürlichen Zyklus bestimmt. Mit Methoden der natürlichen Familienplanung kann je nach Zielsetzung sowohl eine Schwangerschaft effektiv vermieden als auch gezielt angestrebt werden. Aber:

Es gibt viele unsichere natürliche Verhütungsmethoden!

Häufig wird die Kalendermethode als eine Methode der natürlichen Familienplanung angesehen. Bei der Kalendermethode werden die fruchtbaren Tage allerdings lediglich aus vorausgegangenen Zyklen mittels Wahrscheinlichkeitsrechnung bestimmt. Diese Methode ist sehr unsicher, da die Länge des Zyklus einer Frau hin und wieder leicht und mitunter auch sehr stark variieren kann. Zudem muss auch bei einem Zyklus mit gleicher Länge der Eisprung nicht zwingend am gleichen Tag stattfinden und kann einmal früher und einmal später im Zyklus stattfinden. Daher ist es nicht sinnvoll, die Fruchtbarkeit im aktuellen Zyklus allein an vergangenen Zyklen festzumachen. Die Kalendermethode eignet sich nach heutigem Stand der Wissenschaft keinesfalls dazu, eine Schwangerschaft sicher zu vermeiden.

Hormonmessungen sind störanfällig

Ebenfalls häufig angewendet wird die Hormonmessung im Urin. Dabei werden meist das luteinisierende Hormon (LH) und/oder Östrogen bestimmt. Da die Hormonpegel im Urin jedoch sehr störanfällig sind, eignet sich eine alleinige Hormonmessung ebenfalls nicht zur sicheren Verhütung. Beispielsweise kann der Hormonspiegel auch erst dann über den kritischen Wert steigen, wenn der Eisprung bereits stattgefunden hat oder kurz davor. Dadurch können nicht alle fruchtbaren Tage sicher erkannt werden und eine Schwangerschaft kann dennoch eintreten.

Die Beobachtung eines einzelnen Symptoms ist nicht ausreichend!

Bei der Beobachtung des Muttermunds wird dieser täglich von der Frau selbst abgetastet und beurteilt, wie hoch oder tief er sitzt, wie fest er sich anfühlt und ob seine Öffnung geschlossen oder geöffnet ist. Diese Methode ist als alleinige Methode zur Verhütung nicht geeignet, da es zwar einen engen zeitlichen Zusammenhang der Veränderungen mit dem Eisprung gibt, allerdings nicht beurteilt werden kann, ob wirklich bereits ein Eisprung erfolgt ist oder ob dieser erst noch erfolgen wird.

Die Billings-Methode fußt auf der Beobachtung des Zervixschleims, ist jedoch als alleiniger Parameter ebenfalls nicht sehr sicher. Das Auftreten von Zervixschleim kann durch äußere Umstände stark beeinflusst werden und gibt keinen Aufschluss darüber, ob bereits ein Eisprung stattfand, oder ob dieser erst noch bevorsteht.

Bei der Temperaturmethode wird jeden Morgen nach dem Aufwachen die Körpertemperatur gemessen. Da es im Zyklus zu Temperaturveränderungen kommt, gibt diese Methode Aufschluss darüber, in welcher Zyklusphase sich eine Frau gerade befindet. Es gibt jedoch einige Faktoren, die die Temperatur beeinflussen können, beispielsweise der Konsum von Alkohol oder akute Infekte. Daher sollte auch die Temperaturmethode nicht als alleinige Methode zur Verhütung verwendet werden.

Die Symptothermale Methode

Bei der symptothermalen Methode wird nach dem Aufwachen ebenfalls die Körpertemperatur täglich zur gleichen Zeit gemessen. Zusätzlich werden jedoch auch noch Beobachtungen körperlicher Veränderungen im Laufe des Zyklus angestellt, wie beispielsweise die Veränderung des Zervixschleims, des Muttermunds oder Hormontests. So wird die Fruchtbarkeit immer anhand mindestens zweier Merkmale gleichzeitig beurteilt, was für ein Ergebnis mit deutlich höherer Sicherheit sorgt, als wenn nur ein Merkmal alleine herangezogen würde. Dadurch können die fruchtbaren Tage sehr sicher auf einige wenige Tage pro Zyklus eingegrenzt werden. Damit ist die symptothermale Methode die einzige hochsichere natürliche Verhütungsmethode. Die Daten werden täglich in einem Zyklusblatt notiert. Es gibt bereits einige gute Apps, die die Eingabe der Daten in das (digitale) Zyklusblatt erleichtern und bei der Auswertung helfen können. Auch sogenannte Zykluscomputer sind auf dem Markt, die die beobachteten Merkmale automatisch auswerten und die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage anzeigen.

Um eine Schwangerschaft zu verhindern, kann an den unfruchtbaren Tagen dementsprechend ungeschützter Verkehr stattfinden. An den fruchtbaren Tagen sollte auf diesen verzichtet werden oder eine Barrieremethode verwendet werden, beispielsweise ein Kondom oder Diaphragma.

Bei der symptothermalen Methode gibt es verschiedene Regelwerke, in welcher Form die Auswertung der erhobenen Messwerte und Symptome genau zu erfolgen hat. Je nach Regelwerk unterscheiden sich die Bestimmungen zur Auswertung. Es ist daher wichtig, dass diese strikt eingehalten werden, um die Sicherheit der jeweiligen Methode zu gewährleisten. Ein bekanntes Regelwerk zur symptothermalen Methode ist die Natürliche Familienplanung mit Sensiplan. Bei dieser wird die Temperaturmethode kombiniert mit der Auswertung des Zervixschleims oder alternativ auch des Muttermunds. Wenn im nachfolgenden Text also von natürlicher Verhütung oder natürlicher Familienplanung die Rede ist, sind damit immer Regelwerke zur symptothermalen Methode mit wissenschaftlich bewiesener Sicherheit gemeint.

Wie sicher ist die Verhütung mittels symptothermaler Methode?

Die einzige Verhütungsmethode, die zu 100% sicher ist, ist die komplette Enthaltsamkeit. Bei allen anderen Verhütungsmethoden wird die Sicherheit der einzelnen Methode in Methodensicherheit und Anwendersicherheit angegeben.

Die Werte sagen jeweils aus, wie viele von 100 Frauen innerhalb eines Jahres bei Anwendung der jeweiligen Verhütungsmethode durchschnittlich dennoch schwanger werden. Die Methodensicherheit ist die Sicherheit einer Verhütungsmethode bei 100%-ig korrekter Anwendung und keinerlei Auftreten von störenden Faktoren. Diese beträgt für die symptothermalen Methode NFP nach Sensiplan 0,4. Das bedeutet, es werden durchschnittlich vier von 1000 Frauen schwanger, wenn keinerlei Störfaktoren vorliegen und alle Regeln befolgt werden. Die Anwendersicherheit beschreibt die Sicherheit der Methode bei alltäglicher Anwendung. Diese beträgt bei der Sensiplan-Methode 1,8. Zum Vergleich: Bei der Anti-Baby-Pille beträgt die Methodensicherheit 0,3-0,5, die Anwendersicherheit liegt allerdings bei 9.

In der fruchtbaren Zeit ist Vorsicht geboten!

Findet in der fruchtbaren Zeit Geschlechtsverkehr statt, dann gilt in dieser Zeit natürlich nur die Sicherheit der jeweiligen verwendeten Barrieremethode. Wobei die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden bei Enthaltsamkeit niedriger ist, als bei der Verhütung mit Kondomen oder Diaphragma. Bei der Anwendung von Barrieremethoden ist zu erwähnen, dass die richtige Anwendung und eine optimale Passung unbedingt beachtet werden sollten! Sehr viele Männer tragen beispielsweise die falsche Kondomgröße, was die Sicherheit sehr stark beeinträchtigt.

Welche Vorteile bietet die natürliche Familienplanung?

Zunächst einmal ist die natürliche Verhütung frei von gesundheitlichen Nebenwirkungen, wie sie beispielsweise bei hormonellen Verhütungsmitteln sehr häufig auftreten. Darüber hinaus ist die Verhütung mittels symptothermaler Methode sehr sicher, wenn die jeweiligen Regeln eingehalten werden. Außerdem kann die Methode in jeder Lebensphase angewandt werden, sowohl in der Jugend, als auch beim Übergang zur Familienplanung oder im fortgeschrittenen Alter und sie ist auch nach dem Absetzen hormoneller Verhütungsmittel sofort anwendbar.

Die Verhütung mittels symptothermaler Methode ist einfach zu erlernen und kann Frauen auch dabei helfen, ihren eigenen Körper besser kennenzulernen und wertzuschätzen. Sie kann die Körperkompetenz fördern und ein tieferes Verständnis für die eigenen körperlichen Vorgänge erzeugen. Viele Frauen beschäftigen sich erstmals beim Erlernen einer natürlichen  Verhütungsmethode wirklich mit ihrem Zyklus und den dabei ablaufenden körperlichen Veränderungen sowie deren Bedeutung. Dies kann bei den anwendenden Frauen zu einem besseren Gefühl der eigenen Weiblichkeit und zu mehr innerer Harmonie und einem Gefühl des „in der eigenen Mitte seins“ führen. Viele Frauen bemerken zudem einen ausgleichenden Effekt auf die Psyche, da beispielsweise auch zyklusbedingte Veränderungen in der Stimmung oder andere Symptome erklärbar werden und ihren Schrecken verlieren oder leichter bewältigt werden können. Auch in der Partnerschaft und im Beruf können sich diese Auswirkungen natürlich positiv bemerkbar machen. Zudem fördert die natürliche Verhütung das Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung in einer Partnerschaft beim Thema Verhütung und Familienplanung und kann dafür eine wertvolle Gesprächsgrundlage bilden. Viele Paare berichten auch von einer dadurch verbesserten Beziehung.

Eine meiner Patientinnen hat nach dem Absetzen der Pille begonnen, mit der symptothermalen Methode zu verhüten. Sie ist sehr technikbegeistert und hat sich daher dafür entschieden, ihre Werte mit Hilfe einer App für das Smartphone und eines Bluetooth-Thermometers zu erfassen und auszuwerten. Sie meldet mir regelmäßig zurück, wie spannend es für sie ist, ihren Zyklus zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich zu verfolgen und ihren Körper während der verschiedenen Zyklusphasen zu beobachten und besser kennenzulernen. Sie berichtete auch davon, dass sich ihre Stimmung seitdem sehr verbessert habe und sie auch von ihrem Partner positive Rückmeldung erhalten habe. Dieser nehme sie seither als deutlich ausgeglichener und zufriedener wahr.

Was ist bei der natürlichen Familienplanung zu beachten?

Die Methode der natürlichen Familienplanung muss erlernt werden, wobei man von etwa drei Zyklen Lern- und Erprobungsphase dabei ausgeht. Es kann einige Zyklen dauern, bis die eigenen körperlichen Veränderungen sicher erkannt und ausgewertet werden können. Es ist also wichtig, sich ausführlich mit der Thematik zu beschäftigen und diese Methode keinesfalls leichtfertig einzusetzen. Außerdem müssen die jeweiligen körperlichen Veränderungen regelmäßig beobachtet werden, um eine sichere Auswertung zu ermöglichen. Es gibt zudem einige Ausnahmen und Begebenheiten, die man kennen sollte (z.B. Stress, Krankheit, Schlafmangel und weitere), da sie die Auswertung der Körperzeichen erschweren oder verfälschen können. Zudem ist es unbedingt notwendig, die Regeln genauestens einzuhalten und zu wissen, wie man mit abweichenden Messwerten konkret verfahren muss. Darüber hinaus nimmt die natürliche Familienplanung beide Partner in die Verantwortung. Der Zyklus und die individuellen Phasen der Fruchtbarkeit sind dabei ausschlaggebend.

Haben Sie Fragen zum Thema Verhütung oder Interesse an der natürlichen Familienplanung? Sind Sie unzufrieden mit Ihrer derzeitigen Verhütungsmethode und wünschen sich fachkundige Unterstützung? Dann berate ich Sie zu diesen Themen sehr gerne in einem kostenlosen Online-Video-Termin, oder Sie melden sich per E-Mail bei mir unter praxis@weber-ganzheitliche-medizin.de oder telefonisch unter 089 32 80 88 97.

Ich freue mich auf Sie!

Ihr Sebastian Weber

Quellen

  • Arbeitsgruppe NFP (2021). Natürlich und sicher – Natürliche Familienplanung mit Sensiplan. Das Praxisbuch. Stuttgart: Trias Verlag.
  • Neue BZgA-Studiendaten: Verhütungsverhalten Erwachsener (2019). Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Verfügbar unter: https://www.bzga.de/aktuelles/2019-09-19-neue-bzga-studiendaten-verhuetungsverhalten-erwachsener/ [10.02.2022].
  • Rötzer, et. al (2017). Use of Natural Family Planning (NFP) and Its Effect on Couple Relationships and Sexual Satisfaction: A Multi-Country Survey of NFP Users from US and Europe, Frontiers in Public Health.
  • Strowitzki et. al (2013). Natürliche Familienplanung heute: Modernes Zykluswissen für Beratung und Anwendung. Berlin: Springer Verlag.

 

 

 

Wichtiger Hinweis: Die in meinen Blogs genannten Behandlungsmethoden stammen aus der Erfahrungsmedizin. Die Mehrzahl dieser etablierten, medizinischen Therapieverfahren ist noch nicht nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin (Schulmedizin) wissenschaftlich hinreichend abgesichert. Insbesondere existieren noch keine randomisierten, kontrollierten Studien oder übergreifende Metaanalysen. Ein Erfolg der Erfahrungsmedizinischen Therapieformen kann nicht in jedem Behandlungsfall gewährleistet werden.